Grundeinkommen jetzt?

  • Also ich würde gerne mal eure meinung zu diesem thema hören. auf jeden fall gibts hier in österreich eine immer stärker werdende bewegung.

    was ist deine meinung zu diesem thema?
    wie is die meinung in deinem umfeld?
    was würdest du tun, wenn du ein grundeinkommen hättest?

    ...

    also bitte um sachliche meinungen. danke

  • Wir haben seit über hundert Jahren in den Industriestaaten eine ausreichende Produktivität, um allen Menschen unabhängig von ihrem konkreten Anteil an der Produktion eine soziale Grundsicherung zu gewähren. Diese Produktivität wurde in Deutschland bereits vor 1900 erreicht. Trotz Arbeitslosigkeit.

    Daß man zwischen verschiedenen Kategorien von sozialen Sicherungen unterscheidet und dabei insbesondere zwischen einer solchen für Leute mit und einer solchen für Leute ohne Arbeitserlaubnis alias Arbeitsplatz, ändert nichts an der Tatsache, daß es sich in allen Fällen um Arten sozialer Sicherung handelt. Sozialhilfe, Arbeitslosenunterstützung, Mindestlöhne und Tarifverträge fallen alle mindestens teilweise unter diese Betrachtungsweise.

    Damals - vor über 100 Jahren - wurden eine erste Form der sozialen Sicherung eingeführt. Die war natürlich noch weit entfernt von der heute in europäischen Industriestaaten allgemein üblichen sozialen Sicherung.

    Die soziale Grundsicherung sollte mit dem Niveau der allgemeinen Produktivität mitwachsen und tat dies in den Jahren bis 1990 in ganz Europa auch. Dies ist ebenso wie der Fakt, daß die soziale Grundsicherung überhaupt eingeführt wurde, ausschließlich mit dem Ausgleich von Interessen innerhalb der Gesellschaft und dabei namentlich primär mit der Vermeidung von sozialen Unruhen und damit einhergehenden Bürgerkriegen bzw. Revolutionen begründet. Sekundär hat die soziale Grundsicherung die positive Auswirkung, daß vorbei an der stets herbeigesehnten Selbstregulierung des chaotisch ausgelegten kapitalistischen Marktes eine Grundsicherung für den Austausch von sowieso und im Überfluß hergestellten Waren und somit eine Stabilisierung des Marktes gewährt wird.

    Die offensichtlichen Vorteile und die positiven Erfahrungen in einer Vielzahl von kapitalistischen Staaten über ein reichliches Jahrhundert hinweg führen allerdings mitnichten zu einem Automatismus dahingehend, daß die soziale Grundsicherung auch als solches in der Gesellschaft dargestellt und angewendet, noch dazu, daß eine einmal eingeführte Sicherung beibehalten wird.

    Solches wird - für jedes des Lesens kundige Wesen durch Studium der Geschichte nachvollziehbar - NUR dann eingeführt bzw. beibehalten, wenn für die Herrschenden Kreise (streng "objektorientiert" bin ich hier gezwungen, von "Klasse" zu reden - sorry) eine akute Gefährdung des sozialen Friedens ausgemacht werden kann und keine sonstigen - insbesondere propagandistischen und militärischen - Mittel zur Niederhaltung von Unruhen ausreichend erscheinen.
    Sofern diese erste zwingend notwendige Voraussetzung erfüllt ist, hängt die Benutzung von sozialen Sicherungssystemen von einer ganzen Reihe weiterer Umstände ab, darunter auch die Bereitschaft der Bevölkerung, diese Systeme zu unterstützen.

    Natürlich gibt es beliebige Skalierungen dieser Verhältnisse. Meines (momentan sehr dürftigen) Wissens nach ist die USA-Bevölkerung so ziemlich am schwächsten sozial gesichert, während die Sicherung in den nordeuropäischen Staaten am besten ausgeprägt ist.

    Der Wegfall der sozialistischen Staaten um 1990 und die damit einhergehende Diffamierung sozialer Ideen allgemein führte seit dieser Zeit zu stetigem Abbau der sozialen Systeme insbesondere in Deutschland. Der Fakt, daß damals trotz viel geringerer Produktivität als heute ein viel besseres soziales Sicherungssystem aufrecht erhalten werden konnte, zeigt, daß die heutigen Diskussionen um Sozialabbau (kontra Gegenbestrebungen) keineswegs aus materiellen Zwängen herrühren. Der Fakt, daß es in Deutschland heute eine höhere Arbeitslosigkeit und ein viel geringeres faktisches Renteneintrittsalter als damals gibt, zeigt, daß es auch nicht an Arbeitskräftmangel liegen kann. Der Fakt, daß es nicht an Arbeitskräftemangel liegt, anulliert Argumente von wegen Überlastung mit Rentnern alias Bevölkerungsstruktur. Wer an Märchen glaubt, kann ohnehin viel leichter alles auf Gott zurückführen.

    Meiner Meinung nach könnte Deutschland es sich ohne weiteres leisten, ein "Grundeinkommen" für erwachsene Menschen (alias Sozialhilfe) zu definieren. Auch ein "Mindestlohn" wäre ohne weiteres definierbar. Zudem würden diese beiden Marken helfen, die ohnehin produzierten Produkte und Leistungen des Grundbedarfs gesicherter zu verteilen (sprich: einen gesicherten Absatzmarkt bereitstellen in den Termini der herrschenden Austausch-Philosophie). Die ohnehin in Deutschland existierende Sozialhilfe bräuchte nur einen Bruchteil des momentan eher als gigantisch zu bezeichnenden verwaltungsapparates des derzeitigen Sozialsystems - wenn denn mit dem "Grundeinkommen" die blödsinnigen Ausspionierungen der Bürger enden würden. Ich wäre im übrigen dafür, daß dieses Grundeinkommen AUCH für jeden Selbständigen gezahlt wird. Und ich würde keinerlei Problem darin sehen, das Grundeinkommen auf Basis der ohnehin existierenden Steuer-Abrechnungen abhängig vom Nettoeinkommen zu verringern: Das (von mir häufig gehörte) Argument, Steuer und Sozialhilfe seien zwei getrennte Bereiche, denen es nicht gestattet wäre, gegenseitig Einsicht zu nehmen, ist durch die ohnehin bereits existierenden Sozialgesetze Deutschlands anulliert: Wer Sozialhilfe wil, muß eh sein Einverständnis geben, daß die Behörden in restlos alle Finanzen Einsicht nehmen dürfen.

    Ich würde also die Arbeitsämter um 80% ihres Personalbestandes erleichtern, diesen Leuten ermöglichen, sinnvolleren Tätigkeiten nachzugehen als sinnlose Fragebögen für Bedürftige zu produzieren und auszufüllen und ganze Wälder für diesen Papierkrieg zu mißbrauchen, und das Sozialsystem durch die genannten Bezugswerte drastisch vereinfachen.

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